Wenn ich in meinem Studio in Hamburg aus dem Fenster schaue, fällt mein Blick auf eine städtische Hundewiese. Hätte ich nicht so viel Arbeit, könnte ich ganze Tage damit zubringen zu beobachten, wie die Hunde dort unten herumspringen und ihre Schnupperbeziehungen pflegen.
Es sind typische Stadthunde, die meisten sind winzig – Pinscher, Chihuahuas, Möpse, Dackel. Sie leben in Wohnungen, und wenn sie auf die Straße kommen, dürfen sie nicht ohne Leine laufen. Sehe ich solch einen Hund vor dem Supermarkt, angehängt an einer Schnur, dann habe ich Mitleid. Sympathie mit dem Gefangenen. Dieses Stubenhockerdasein ist überhaupt nicht hundegerecht.
Wenigstens ein paar Sprünge zu machen ist selbst für Schoßhündchen ein elementares Bedürfnis. Wie viel Temperament in den Tieren steckt, sehe ich, wenn sie in diesem beschränkten Raum unter meinem Studiofenster miteinander toben und ihre Bewegungsfreiheit auskosten. Ihre Freude und ihr Eifer, wenn ihre Menschen sie mit Stöckchen und Bällchen bedienen, kennt keine Grenzen. Erst recht nicht, wenn ein attraktiver potenzieller Partner auftaucht. Was das betrifft, erinnert mich die Hundewiese an ein großes Casting. Nur dass beim Hund nicht die Schönheit zählt, sondern der Geruch.
Ich bin mit Hunden, Katzen und Schweinen groß geworden. Zu Tieren hatte ich damals eine innige Beziehung, anders als zu den Menschen um mich herum. Das kam erst viel später. Aber ich spüre immer noch eine große Zuneigung zu Tieren. Eine Hauskatze hat noch die Freiheit, herumzulaufen und eine Maus zu fangen. Der Wolf sucht sich ein Schaf. Für den Hund ist das vorbei. Er ist abhängig vom Menschen, seit er sich nicht mehr selbstständig sein Fressen suchen muss. Im Tausch für diese Abhängigkeit bekommt er im besten Fall unsere Zuneigung.
Auszug aus
Walter Schels. Hundstage
Modularer Werkkatalog Band 05